Rede zum Haushalt 2024 - Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen Herdecke

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren,

wenn man in diesen Tagen landauf landab die innerdeutschen Debatten verfolgt, dann fällt auf, dass die Haushaltslage in Bund, Land und Kommunen überall als Thema präsent ist und auch eine lange nicht dagewesene Dramatik aufweist. Für uns verheißt das nichts Gutes. Ein Thema wie das der Altschuldenlösung fällt plötzlich ganz aus der Diskussion heraus. Stattdessen werden aus Düsseldorf nur kleine Finanz-Trostpflaster und neue Tricks in der Haushaltsführung angeboten. Daher treiben wir weiter in Unklarheiten bei der Erstellung einer soliden kommunalen Finanzplanung – ganz abgesehen von den Belastungen, die aktuell auf uns zukommen:

Nehmen wir nur den Ausbau des Ganztags, der ein tiefschwarzes Loch in unseren Haushalt reißt, und bei dem wir seit Jahren schon darauf warten, dass die Finanzierungslücken geschlossen werden. Aus Düsseldorf kommt jetzt ein winziges Signal, allenfalls ein Teelicht am Ende des Tunnels. In der geplanten Fassung des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2024 heißt es, Investitionen in den OGS-Ausbau würden bei den Schlüsselzuweisungen berücksichtigt. Das ist mager, meine Damen und Herren, das ist fast nichts im Vergleich zu den enormen Kosten, die wir vor der Brust haben. Diese nicht wesentlich von uns selbst verschuldete Finanzkrise wird in den nächsten Jahren unsere Gestaltungsmöglichkeiten erheblich einschränken. Es sind doch nicht die Musikschule oder das Freibad, die unseren Haushalt in den Abgrund ziehen. Es sind Aufgaben des Bundes und des Landes: zum Beispiel die jahrelang mangelhafte Unterstützung in der Unterbringung von Geflüchteten und ihrer sozialen Begleitung. Aber auch die Tatsache, dass für Regelaufgaben statt der regelhaften Bereitstellung von Mitteln aufwendige und unübersichtliche Förderprogramme aufgestellt werden, die wir auch personell gar nicht stemmen können. Hier hat die Verwaltung in den letzten Jahren dennoch ihr Möglichstes getan, insbesondere beim Straßenbau und Hochwasserschutz. Herr Schliepkorte, Ihnen ist heute an dieser Stelle besonders und sehr herzlich zu danken.

Wie gering unsere Gestaltungsmöglichkeiten sind, sehen wir heute auch daran, dass keine seitenlangen Listen mit Haushaltsanträgen der Fraktionen vorliegen. Die grüne Fraktion hat im Jugendhilfebereich eine neue Idee in die Diskussion gebracht, die neben verbesserter Prävention auch die steigenden Kosten in der Jugendhilfe perspektivisch vermindern wird. Prävention braucht eben einen längeren Atem, und anders als bei Thema Bauen oder Verkehr fällt auch in diesem Rat manchen Mitgliedern die Vorstellung nicht leicht, dass Kinder, wenn ihre Krankheitsbilder frühzeitig behandelt werden, spätere und finanzielle viel aufwendigere Maßnahmen nicht mehr benötigen. 4,5 Mio benötigen wir für Transferleistungen allein in diesem Produkt – Tendenz steigend.

Meine Damen und Herren: wenn wir uns weiterhin finanziell ein Freibad und eine Musikschule leisten wollen, und das wollen wir, dann ist eine Bereitschaft zu Einsparungen in Bereichen erforderlich, die bisher nicht so sehr im Fokus dieses Rates liegen.

Es ist uns allen klar, dass erstmal die Planung für das Freibad überarbeitet werden muss, bevor wir hier abschließend zustimmen können. Gerade das Freibad bringt uns auch in eine ambivalente Situation: es gibt zwar rationale Gründe, auf die hohen Kosten und auch die Nähe der umliegenden Bäder zu verweisen. Aber: Ein kleineres Freibad für Familien mit einer guten Verbindung von Freizeitspaß und dem notwendigen Schwimmunterricht ist und bleibt ein Standortfaktor für Herdecke. Dies gilt insbesondere auch für die Kinder, die nicht in die großen Ferien fahren können. Wir schicken diese Kinder ja auch in den Sommerferien nicht mit einem Shuttlebus auf einen Abenteuerspielplatz nach Hagen oder Wetter. Wenn man diese Shuttle-Logik mal weiterverfolgen würde, dann könnte man damit auch alle weiteren Angebote in Frage stellen und die Herdecker*innen für alles außer Einkaufen in umliegende Städte transportieren – natürlich mit sozial gestaffelten Shuttle-Preisen. Dabei geht es den angrenzenden Kommunen doch auch nicht besser und wer kann wissen, wann dort die Türen auch von Freibädern geschlossen werden. Wo also ist da die Perspektive?

Meine Damen und Herren, wenn wir die Studie der Ruhr-Universität Bochum zu Einsamkeit und Jugendlichen in NRW einbeziehen, die Ministerpräsident Wüst vor kurzem vorgestellt hat, dann dürfen wir Angebote zu Sport- und Freizeitaktivitäten nicht einfach abbauen. Die „stille Pandemie“, wie Einsamkeit in der Folge der Pandemie auch genannt wird, ist die „neue soziale Frage“ und wird uns alle mit ihren Auswirkungen, insbesondere aber die Kitas und Schulen, weiter beschäftigen. Auch deshalb ist es wichtig und lobenswert, was das Kinder- und Jugendparlament und eine Mitarbeiterin des Fachamtes mit der „Zukunftswerkstatt“ gemeinsam auf die Beine stellen. Eine Planung von Zukunft ohne die Kinder und ihre Familien darf es in Herdecke nicht geben. Auch deshalb dürfen wir die Familien mit kleineren und mittleren Einkommen nicht über das Maß hinaus belasten, das wir gemeinsam im Haushaltssicherungskonzept verabredet haben.

Meine Damen und Herren, es gehört zu den politischen Erfolgen des Jahres 2023, dass wir eine kommunale Gesundheitskonferenz durchgeführt haben, ein Vorhaben der Koalition, das von diesem Rat getragen wurde und Ergebnisse gebracht hat, die uns noch beschäftigen müssen. Auch dabei geht es um unsere Kinder und Jugendlichen, um unsere Zukunft also.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass Anträge der Politik bei der Verwaltung über größere Zeiträume liegen bleiben. Ich verzichte auf eine Aufzählung und schlage stattdessen eine Beschlusskontrolle vor. Bei einigen Vorhaben ist es allerdings so, dass sie durch äußere Umstände oder Personalmangel nicht wie geplant umgesetzt werden können. Das erleben wir jedes Jahr. So sind wir zum Beispiel mit der Bebauung Am Berge ohne Verschulden noch nicht weiter. Die äußeren Umstände lassen befürchten, dass wir hier durch die Krise der Bauwirtschaft nur in kleinen Schritten vorankommen. Anders sieht es im Bereich Hochwasserschutz aus: hier muss man wirklich festhalten, dass die Verwaltung mit unserer vollen Unterstützung und hohem Aufwand eine gewaltige und erfolgsversprechende Kraftanstrengung unternommen hat. Dies ist vorbildlich im Vergleich zu einigen unserer Nachbarstädte – und auch zwingend notwendig. Vielen Dank, Ihnen Frau Bürgermeisterin und allen Kolleginnen in den beteiligten Fachämtern.

Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung erschöpfen sich nicht darin, auf Hochwasserereignisse zu reagieren. Diese können uns, und auch das hat das Jahr 2023 gezeigt, jederzeit erreichen. Wenn regional gerade wenig passiert, schleicht sich das trügerische Gefühl ein, irgendwie nicht betroffen zu sein. Dabei ist uns inzwischen allen klar: Die Klimakatastrophe, übertroffen von der Biodiversitätskrise und der zunehmenden Dysfunktion unserer Ökosysteme sind das größte Risiko unserer Gesellschaft geworden. Lokale Starkregenereignisse und die Auswirkungen von Hitzeereignissen auf die Gesundheit werden uns stärker als bisher beschäftigen müssen. Auch hier können wir nicht darauf warten, dass ein nationaler Hitzeplan – wie er jetzt geplant wird – irgendwann bei uns ankommt. Zu dieser Thematik erwarten wir dringend in den nächsten Monaten Ideen und Pläne unseres Klimaanpassungsmanagers. Es ist dabei zu befürchten, dass dafür wie auch für andere Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung zukünftig weniger oder keine Mittel mehr von Bund und Land fließen. Ich wünsche uns daher viel Mut für schwierige Entscheidungen im kommenden Jahr und gleichzeitig viel Vertrauen auf das Engagement der Bürger*innen und Unternehmen.

Das vergangene war geprägt von harten Auseinandersetzungen rund um die Rückführung und Weiterentwicklung der Technischen Betriebe. Bei allen Verwerfungen muss doch festgehalten werden, dass es uns allen gemeinsam in der Sache um das bessere Konzept für die Stadt Herdecke ging. Die Zukunft wird zeigen, ob der jetzt weiter verfolgte Weg der Rückführung der richtige ist. Die Kosten werden in jedem Fall weiter steigen, etwa durch die Vorgaben zur CO²- Verringerung auch bei Fahrzeugen (Stichwort, emissionsarme Antriebe), die weitergegebenen Kosten der thermischen Müllbehandlung und überhaupt in allen Bereichen, die nicht zum „Erfolgsträger Abwasser“ gehören, wie es im Prüfbericht von PKF Fasselt zutreffend heißt.

Meine Damen und Herren, wir haben uns gemeinsam dazu entschieden, für die Haushaltssicherung nicht den Weg von Steuererhöhungen zu gehen, sondern in ausgewählten Bereichen die Gebühren moderat zu erhöhen. Dieser Weg ist richtig und konsequent weiter zu verfolgen. Wir unterstützen die Forderung der Verwaltung an den Kreis nach mehr Transparenz, frühzeitiger Kooperation und verbesserter Beteiligung bei Großprojekten. Wer den Landrat zuletzt erlebt hat, weiß, dass dieser inzwischen die Ernsthaftigkeit dieses Anliegens der Kommunen verstanden hat. Was daraus tatsächlich folgt, bleibt abzuwarten.

Wir danken Ihnen, Herr Osberg und ihrem Team, für die Aufstellung des Haushalts 2024, und stimmen ihm heute zu. Ich wünsche uns allen den nötigen Mut, Gesundheit und Kraft für das anstehende Jahr. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Für die Fraktion, Andreas Disselnkötter

Herdecke, 07.12.2023